Larry Summers und Diskriminierung gegen Frauen

Ich verfolge schon seit einiger Zeit den Skandal um Harvard’s Präsidenten Larry Summers – und natürlich habe ich da auch eine starke Meinung zu. Der Economist hat zwei interessante Kommentare (Summerstime, Birdbrained) zu dem Thema.

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Was ist der eigentliche Skandal? Das Thema “Akademische Karrieren für Frauen” anzusprechen ist grundsätzlich legitim. Die Frage ist, ob Summers, in der Rolle des Präsidenten von Harvard, dieses Thema ansprechen darf. Vom Economist:

    “And the firestorm is not about one judgment, but about his right to raise the issue of innate differences at all.”

Jetzt, wo die Katze aus dem Sack ist, stellen sich zwei ganz wichtige Fragen: (1) Hat Summers recht oder nicht mit seinen drei Thesen:

  • Discrimination and social pressure might hold women back
  • 80-hour-a-week science careers might be harder for women to take on
  • the outcome might be related to findings that men tend to be over-represented at the top of science-aptitude tests

Und (2), was man deswegen unternehmen sollte.

In Anbetracht der Tatsache, dass Summer gebeten wurde, eine provokative Rede zu halten, und zwar nicht in der Rolle des Harvardpräsidenten, kann ich schon nachvollziehen, wie es zu dieser Rede kam.

    “Note first that this was given in a private capacity to an economics conference, and that he had been briefed to ask provocative questions”

Meine persönliche Meinung: Ich glaube nicht, dass Summers sexistisch ist, oder rücksichtslos. Aber ich glaube auch nicht, dass er diese Rede “aus versehen” gehalten hat, und sich nicht über die Implikationen im Klaren war. Summers hat noch nie etwas davon gehalten, sich auf Zehenspitzen zu bewegen (ich war in Boston, als er das Thema “Grade Inflation” ansprach – das gab auch einen ganz schönen Aufruhr). Ich glaube, dass er das Thema bewusst angesprochen hat, um die Situation zu verbessern. Von seiner Rede:

    “What should we all do? I think the case is overwhelming for employers trying to be the [unintelligible] employer who responds to everybody else’s discrimination by competing effectively to locate people who others are discriminating against, or to provide different compensation packages that will attract the people who would otherwise have enormous difficulty with child care. (…) But I think it’s something that has to be done with very great care because it slides easily into pressure to achieve given fractions in given years, which runs the enormous risk of people who were hired because (…) being seen by others as having been hired for some other reason. And I think that’s something we all need to be enormously careful of as we approach these issues, and it’s something we need to do, but I think it’s something that we need to do with great care. ”

Und damit spricht Summer selbst an, was die Sorge des Authors des Emails war, weswegen ich dies alles schreibe:

    Ein befreundeter Theologe und Unternehmensberater macht mich auf eine Kontroverse bei Harvard aufmerksam, deren Bedeutung weit über diese und andere Universitäten hinausreicht. Es geht um die Frage, wie der möglicherweise unterschiedliche “Erfolg” von Frauen und Männern in der Wissenschaftskarriere zu beurteilen ist, und welche Konsequenzen sich daraus für die Anstellungspraxis ergeben.

Aber hier ist noch ein weiterer, wichtiger Aspekt: Diese Diskussion hat unterschiedliche Implikationen auf den amerikanischen und den deutschen Markt.

Zunächst der Amerikanische: Ich würde behaupten, dass es in dem diskutieren Arbeitsmarkt (Professuren fuer die Ivy League) keine Diskriminierungen gegen Frauen gibt, und gerade in der Einkommensklasse wird penibel auf “Political Correctness” geachtet (uebrigens ist MITs Praesident seit kurzem eine Frau, Susan Hockfield). Als vor kurzem Carly Fiorina, CEO von HP, gefeuert wurde, war sich die Presse einig, dass sie wegen Inkompetenz, und nicht Diskriminierung gehen musste. Dennoch werden lediglich 7 von den Fortune 500 Firmen von Frauen geleitet – warum? Diese Frage versuchte Summers zu beantworten.

Meiner (subjektiven) Meinung nach ist der Deutsche Arbeitsmarkt wesentlich diskriminierender, und nicht nur gegen Frauen, sondern auch ältere Menschen. Hier ist eine Geschichte von einer Freundin (das war Anfang der 90er). Sie bewarb sich um eine Stelle, die sie nicht bekam. Die Personalchefin sagte ihr “unter der Hand”, dass sie zwar kompetent sei, aber sich die Firma es sich nicht leisten kann, eine Frau in den Mitte 20ern einzustellen. Ich weiss nicht, wie sich Deutschland in den letzten 15 Jahren gewandelt hat, aber die Geschichte hat mir doch einen ganz schönen Schrecken eingejagt.

Zum Absschluss noch ein weiteres Zitat aus dem Economist:

    “In the end, the debate about Mr Summers comes down to a simple choice. On one side sit short-term expediency and censorship; on the other, freedom of speech and long-term effectiveness. If Mr Summers’s foes manage to sack or gag him, they may have a happier university in the short term. But they will have snuffed out an invigorating source of criticism in a cosy world. And they will also have endangered the fundamental right of an academic to ask questions. This should be enough to make liberal opinion everywhere start gasping for air.”